Das ist Part eins einer zweiteiligen Serie, in der wir der Frage nachgehen:
»Kann KI bessere Arbeit leisten als CRU?« In diesem Artikel testet CRU Storyteller Kevin Chow, wie gut sich ChatGPT beim Brand Storytelling und der Namensentwicklung schlägt.
Wie viele andere mit einem beruflichen Hintergrund in Text und Kommunikation, habe auch ich gewisse Zukunftsängste in Zeiten von ChatGPT. Ich habe meine Karriere vor über zehn Jahren als Redakteur begonnen und später als Copywriter in Agenturen gearbeitet. Jetzt sehen wir, wie GenAI immer mehr Aufgaben im Textbereich übernimmt — viele Kreativ-Teams gestalten ihre Copy intern und lassen zunehmend ChatGPT ran.
Als Brand Storyteller bei CRU schreibe ich heute nicht mehr so viele klassische Werbetexte, deshalb stehe ich nicht in direkter Konkurrenz zu KI. Aber: Ich habe selbst miterlebt, wie rasant sich Dinge verändern können. Statt gleich den Kopf in den Sand zu steckenn oder Alarm zu schlagen, führe ich lieber ein kleines Experiment durch: Kann ChatGPT mich schon heute ersetzen? Ist es Zeit, meine Storytelling-Karriere an den Nagel zu hängen? Oder ist echte Kreativität noch immer unersetzlich?
In dieser zweiteiligen Serie treten wir gegen ChatGPT und andere GenAI-Modelle an und testen, ob unsere Kund:innen mit CRU oder den ›Robotern‹ besser fahren. In Runde eins stelle ich mich persönlich dem Duell und prüfe, wie gut sich ChatGPT als Brand Storyteller schlägt.
Bevor wir zu den Ergebnissen kommen, ein kurzer Überblick über das Setup:
Ich habe eines unserer früheren Branding-Projekte als Test Case ausgewählt — One Thousand — und ChatGPT 4o mit denselben Infos gefüttert, die auch wir damals hatten. Das Projekt eignet sich ideal, weil es alle Bereiche abdeckt: von der Umbenennung, über die Brand Story und Tonalität, bis hin zum visuellen Auftritt.
Zum Auftakt habe ich ChatGPT genau denselben Input gegeben, den auch wir 2022 beim echten Projektstart zur Verfügung hatten. Besonders interessiert hat mich: Wie geht KI die Aufgaben an? Was macht sie ähnlich, was komplett anders?
Und das erste Ergebnis? Gar nicht schlecht. Die erste Phase ähnelte stark unserem strategischen Vorgehen, obwohl ich das Thema Strategie im Prompt gar nicht erwähnt hatte. Auch ChatGPT hat sofort erkannt, dass eine Alignment Session ein zentraler Meilenstein ist, ganz wie bei uns. Chapeau, Chat.
Zeit und Ressourcen reichten nicht, um eine komplette Strategiephase durchzuziehen. Darum habe ich ChatGPT mit all unseren strategischen Insights versorgt. Und schon konnte es losgehen mit dem ersten kreativen Auftrag: Namensentwicklung.
CRU folgt bei der Namensentwicklung einem klar definierten Prozess — den haben wir auch schon ausführlich im Blog beschrieben. Trotzdem war ich neugierig: Wie würde ChatGPT das Ganze angehen? Also habe ich um eine Schritt-für-Schritt-Skizze des Ansatzes gebeten. Und das hier kam zurück:
Der Ansatz wirkte auf den ersten Blick durchaus sinnvoll: kreativ durchdacht und, ehrlich gesagt, gar nicht so weit weg von unserem eigenen Vorgehen. Also habe ich ChatGPT mit allem versorgt, was wir auch im echten Projekt zur Verfügung hatten: Interview-Transkripte, ausgefüllte Fragebögen, die Ergebnisse der Alignment Session und sämtliche Unterlagen, die wir damals vom Kunden erhalten haben. Eine faire, solide Ausgangsbasis, mit der es nun an die Namensentwicklung gehen konnte.
Bevor wir aber zu den Ergebnissen kommen, ein kurzer Blick zurück ins echte Projekt: Die Namensfindung war für die Marke ein großes Thema. Und zwar nicht nur strategisch, sondern vor allem emotional. Besonders dann, wenn es, wie in diesem Fall, um ein bereits etabliertes Unternehmen geht. Wir hatten damals eine erste Namensrunde entwickelt:
Aber keiner dieser Namen hat wirklich gezündet. Anfangs wollten wir bewusst in der Nähe des bestehenden Namens bleiben: kurz, prägnant, mit einem gewissen Bezug zur Schwestermarke, die wir zuvor bereits rebrandet hatten. Also habe ich ChatGPT gebeten, unter genau denselben Voraussetzungen eine neue Namensliste zu entwickeln. Und das hier kam dabei heraus:
Ich gebe zu: Ganz objektiv bin ich als Kritiker hier nicht, aber keinen dieser Namen hätte ich dem Kunden präsentiert. Für mich wirkten sie beliebig, wenig durchdacht und ehrlich gesagt: nicht ansatzweise passend für eine Machine-Learning-Beratung.
Aber: Fairness muss sein. Auch im echten Projekt hatten wir zwei Namensrunden. Also sollte auch ChatGPT eine zweite Chance bekommen.
Diesmal wollte ich ihm mehr kreativen Freiraum geben und sagte ganz bewusst:
»Geh einen komplett neuen Weg — einen, der für dich Sinn ergibt.«
Und das hier kam dabei heraus:
Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber für mich war wieder kein Treffer dabei. Die Vorschläge waren logisch aufgebaut und erfüllten formal die Kriterien, wirkten aber maximal generisch — im besten Fall belanglos, im schlimmsten Fall sinnfrei.
Auch im echten Projekt standen wir in Runde zwei wieder vor einem leeren Blatt. Wir mussten komplett neu denken also durchsuchten wir jedes Briefing, jede Notiz, jedes Dokument nach einem neuen, inspirierenden Gedanken. Und genau dieser kam und zwar aus einer eher unerwarteten Ecke.
In einem unserer ersten Gespräche hatte Tim, der CEO des damaligen LEAD ML, beiläufig erwähnt, dass sich das Team vorgenommen hatte, gemeinsam mit seinen Kund:innen eintausend Machine-Learning-Durchbrüche zu erzielen. Ein einzelner Satz in einer E-Mail (die ich fairerweise auch an ChatGPT weitergegeben hatte). Auf einem Offsite hatte das Team beschlossen: Tausend Durchbrüche. Und dann? Mal sehen.
Wir stießen zufällig auf diese kleine Bemerkung und hielten inne.
Nur tausend? In einer Welt, in der Tech-Unternehmen, gerade im KI-Sektor, nur noch in Milliarden denken? Warum ›nur‹ tausend? Und genau das war der Moment, in dem es Klick machte: One Thousand. Eine Zahl im menschlichen Rahmen. Greifbar. Und gleichzeitig: ambitioniert. Für Expert:innen in einem Feld, in dem alles in Einsen und Nullen gedacht wird.
Zurück zum aktuellen Experiment mit ChatGPT: Auch ihn haben wir in diese Richtung gestupst und gesagt, dass vielleicht genau diese ›One Thousand‹-Perspektive ein guter Ansatz sein könnte. Und das kam dabei heraus:
Ich glaube, diese Runde geht eindeutig an die Menschen.
Die Namen, die ChatGPT vorgeschlagen hat, waren nicht komplett daneben — aber eben auch nicht überzeugend. Was KI (zumindest in ihrer aktuellen Version) deutlich fehlt, sind zwei entscheidende Dimensionen:
Als Naming-Begleiter ist ChatGPT aus meiner Sicht (noch) kein Ersatz für CRU oder andere Branding-Agenturen. Der methodische Ansatz ist vielversprechend, aber das Ergebnis bleibt selbst mit Anleitung oft blass.
Mein Tipp: Wer es ausprobieren möchte, sollte auf eine hybride Nutzung setzen.
KI-Vorschläge können helfen, erste Ideen zu strukturieren, die dann gemeinsam im Team, etwa in Workshops oder Kreativ-Sessions, weiterentwickelt werden.
Nicht als automatischer Namensgenerator, sondern als Sparringspartner, der Gedanken anstößt und kreative Diskussionen ermöglicht.
Für den Brand-Story-Test gab es zwei Durchläufe. Zuerst wollte ich sehen, wie gut GPT ohne menschliches Zutun performt: Ich ließ es einen der Namen auswählen, die es selbst in der Naming-Runde vorgeschlagen hatte, und dazu eine passende Brand Story schreiben. So konnte ich testen, wie weit es auf eigene Faust kommt.
Dann wollte ich ChatGPT noch eine zweite, faire Chance geben: Ich bat es, eine Brand Story für ein Unternehmen zu schreiben, das ›One Thousand‹ heißt, damit wir die Ergebnisse direkt mit unserer echten Story vergleichen konnten.
Schauen wir uns also zuerst die GPT-Version an. Ich habe es gebeten, einen seiner eigenen Namensvorschläge auszuwählen und die Wahl zu begründen:
Also gut, ›Myrio‹ sollte es sein. Ich bat ChatGPT anschließend darum, eine passende Brand Story zu diesem Namen zu entwickeln. Und das kam dabei heraus:
Etwas dramatisch, Chat, aber der Claim ›Make it Count‹ gefällt mir tatsächlich. Insgesamt ist die Brand Story zu Myrio nicht schlecht geschrieben, aber auch nicht wirklich hilfreich. Sie trifft zwar alle klassischen Punkte eines typischen Brand-Manifests, wirkt dabei aber, als hätte jemand einfach Storytelling-Bingo gespielt. Der generische Name, dem ein emotionales Fundament fehlt, macht das Ganze zusätzlich steril und beliebig.
Schauen wir also, wie sich ChatGPT schlägt, wenn wir ihm ›One Thousand‹ als Ausgangspunkt geben. mit unserer eigenen Story.
Dieses Ergebnis hat mich deutlich mehr beeindruckt. Klar, ich hänge emotional immer noch an der Brand Story, die wir im Team entwickelt haben, aber mit ein bisschen Feinschliff wäre die Version von ChatGPT tatsächlich ein ernstzunehmender Kandidat gewesen. Im Vergleich zur Geschichte, die es für ›Myrio‹ geschrieben hat, hat diese hier plötzlich Charakter. Ich vermute, dass das Narrativ rund um ›One Thousand‹ der KI mehr emotionales Futter gegeben hat. Genug, um daraus eine spürbar stärkere Geschichte zu bauen. Ja, auch hier finden sich noch ein paar erzählerische Klischees. Aber: Der Text kommt deutlich näher an das heran, was ich selbst geschrieben hätte.
Ich bin ziemlich sicher: Wenn ich mehr Zeit investiert hätte, um die Story gemeinsam mit ChatGPT weiterzuentwickeln, hätte daraus eine richtig starke Markengeschichte werden können. Die Version zu ›One Thousand‹ zeigt bereits, dass KI ein fähiger Storytelling-Partner ist. Aber sie braucht Anleitung, einen geschulten Blick und ein Gespür für Tonalität, damit das Ergebnis nicht beliebig wirkt.
Die Geschichte zu ›Myrio‹ dagegen? Die hätte genauso gut zu jedem x-beliebigen Unternehmen gehören können. Erst der Name mit Substanz und Haltung hat der KI genug Stoff geliefert, um wirklich etwas Greifbares daraus zu machen.
Als kreativer Sparringspartner hat ChatGPT definitiv Potenzial im Storytelling.
Der Schlüssel liegt darin, KI eine gute und vor allem spezifische Richtung zu geben.
Deshalb: Diese Runde geht an GPT. Denn mit etwas Zeit und Feinschliff liefert es heute schon Ergebnisse, die sich wirklich sehen lassen können. Ich glaube sogar, dass viele Kund:innen kaum unterscheiden könnten, welche Story von uns kam und welche von KI.
Bis hierhin steht es also unentschieden. Und ganz ehrlich: Ich bin ziemlich zufrieden damit. Rund um ChatGPT und seine Rolle im Copywriting herrscht aktuell viel unnötige Nervosität. Ja, es ist ein starkes Tool für bestimmte Aufgaben. Aber ich bin überzeugt: Meine Fähigkeiten als Storyteller haben weiterhin ihren Platz, auch wenn sich mein Job künftig wahrscheinlich verändern wird. Vielleicht bedeutet das, dass ich künftig zwischen spezialisierten KI-Agenten vermitteln muss, die gemeinsam an Markengeschichten arbeiten. Vielleicht coache ich Kund:innen darin, wie sie solche Tools sinnvoll einsetzen. Bis dahin stelle ich mir ChatGPT nicht als Konkurrenten, sondern als Co-Autor vor: jemand, mit dem man schreiben kann, nicht gegen den man schreiben muss.
In Teil zwei unserer Serie wird sich Jan, unser Creative Director, anschauen, wie gut sich KI beim Thema Visual Identity schlägt und ob sie damit womöglich das Experiment für sich entscheiden kann.
Wenn Du ChatGPT als Deine ganz persönliche Branding-Agentur nutzen willst, haben wir ein paar Tipps für Dich, die das Tool deutlich nützlicher machen können: