Manchmal kommt die neue Marke mit der neuen Runde. Manchmal geht sie ihr voraus.
Und manchmal bleibt sie genau dort, wo alles begann: in der Pre-Seed-Phase.
Zwischen Produkt, Pitch und Proof bleibt wenig Raum für Positionierung. Branding wird geschoben, gestrichen oder im Sprint erledigt. Gleichzeitig sehen wir: Gerade rund ums Fundraising verändert sich besonders viel. Außenwahrnehmung wird kritisch. Storytelling wird strategisch. Und plötzlich steht die Frage im Raum, wie sichtbar die eigene Ambition eigentlich ist – oder sein sollte.
Was kann eine Marke in diesem Moment leisten? Und was nicht?
Wann ist sie überfällig und wann wäre sie zu früh?
Und was, wenn sie eure Vision klarer zeigt als jedes Deck?
Darum geht es in diesem Text.
»Your brand is the single most important investment you can make in your business.«
– Steve Forbes
Eine gute Marke verkauft nicht. Sie klärt. Sie sortiert. Sie sagt nicht nur, was ihr macht, sie bringt auf den Punkt, warum es jemanden interessieren sollte. Und genau das kann ein entscheidender Faktor im Fundraising sein.
Vergleicht man zwei Versionen eines Pitchdecks – vor und nach dem Rebranding – sieht man schnell, was eine Marke leisten kann: Plötzlich ist nicht nur das Produkt überzeugend, sondern die Vision greifbar. Das Team wirkt nicht nur ambitioniert, sondern ausgerichtet. Und das Deck? Spricht für sich.
Eine durchdachte Brand verankert eure Vision in klarer Sprache und distinktivem Design – und zeigt so, wie gut ihr euren Markt verstanden habt. Sie positioniert euch im Jetzt, aber auch im Morgen. Eine herausragende Brand vermag es sogar, heute schon von einem Morgen zu erzählen, das durch euch geprägt sein wird.
Man könnte also sagen: Ein gutes Pitchdeck erzählt die Wachstumsstory. Eine gute Marke macht sie glaubwürdig.
Ein Rebranding vor einer Investmentrunde kann riskant wirken – das Budget ist meist knapp und das Team unter Druck. Aber genau jetzt entfaltet Markenarbeit ihre größte Wirkung: Wenn sie euch hilft, von vornherein richtig verstanden zu werden.
Besonders dann, wenn sich etwas verändert hat:
Das sind keine Designprobleme. Das sind strategische Framing-Fehler. Und sie kosten: Gesprächszeit, Anschluss, vielleicht sogar den richtigen Cap Table.
Wer seine Marke zu lange liegen lässt, muss später oft aus der Defensive kommunizieren. Das verlangsamt nicht nur den Prozess, sondern erschwert auch den Vertrauensaufbau.
Ein starkes Branding braucht eine klare strategische Grundlage und die heißt: Positionierung. Sie definiert, welche Kategorie ihr besetzt, welches Problem ihr für wen löst und wie ihr euch differenziert. Genau das hilft Investor:innen, euch einzuordnen und entscheidet, ob eure Geschichte trägt.
Wie wichtig dieser Schritt vor der ersten großen Finanzierungsrunde sein kann, wurde im Gespräch mit Patrick Thelen, Gründer und CEO von Procuros, deutlich. Das Hamburger Startup automatisiert den elektronischen Datenaustausch zwischen Unternehmen und hat sich mit einem klaren Produktfokus und starker Positionierung früh das Vertrauen internationaler Investor:innen gesichert. Im April 2022 sammelte Procuros in einer Seedrunde 9 Millionen US-Dollar ein, angeführt von Point Nine und Creandum.
Gerade in der Seed-Phase gilt: Wer wachsen will, muss sich festlegen. Auf Zielgruppe, Angebot und Marktzugang. Das Branding darf (und soll) sich später weiterentwickeln. Entscheidend ist, dass nicht nur der Ist-Zustand greifbar ist, sondern auch die Richtung. Kurz– und langfristig.
»Das richtige Branding gibt dir Klarheit für heute und Raum für morgen.«
Viele der erfolgreichsten Unternehmen haben genau so begonnen. Microsoft etwa formulierte schon in den 80ern: ›A computer in every home‹. Eine simple, konkrete Vision, die das Markenbild über Jahrzehnte getragen hat.
Bei all dem muss die Marke immer zur Kultur passen. Ein konservatives Erscheinungsbild bei gleichzeitig rebellischem Spirit? Das wirkt schnell wie Verkleidung. Eine starke Marke verstetigt das, was ohnehin schon da ist. Macht es sichtbar, anschlussfähig und multiplizierbar.
Thelens Fazit: Lieber eine klare Position mit Substanz als ein frühes Rebranding ohne Fundament. Wer hier nicht sauber arbeitet, erzählt später die falsche Geschichte – und muss sie vor Investor:innen rechtfertigen.
Das, was am schnellsten Vertrauen aufbaut, ist nicht das Produkt, sondern die Klarheit, mit der ein Team seine Rolle im Markt versteht. Eine starke Marke wirkt wie ein Schnellfilter: Sie zieht die Richtigen an und schreckt die Falschen ab. Und sie zeigt, dass man sich mit der eigenen Positionierung ernsthaft auseinandergesetzt hat.
»A company’s story is the company.«
So bringt Ben Horowitz, Mitgründer von Andreessen Horowitz, es beinahe lächerlich simpel auf den Punkt. Für Investor:innen heißt das: Wenn die Story nicht stimmt – nicht greifbar, nicht glaubwürdig, nicht anschlussfähig ist – dann wird es auch das Produkt schwer haben.
Und selbst wenn ein:e Investor:in nicht sofort zuschlägt: eine Marke mit ausgereifter Story bleibt hängen. Yair Reem wusste auf den ersten Blick: Dieses Deck ist besonders. Sein Investment? Kam drei Jahre später.
👉 The best pitch deck I’ve ever seen
Nicht jedes Startup braucht sofort eine Marke. Wenn Positionierung, Zielgruppe oder Vision noch unscharf sind, wird Branding zur Kosmetik. Und Kosmetik hält genau bis zum nächsten Pivot.
Ein wenig ausgereiftes Rebranding erkennt man daran, dass es hübsch aussieht, aber nichts löst. Dass es zwar das Deck aufwertet, aber nicht die Story trägt. Oder schlimmer noch: Es wirkt so abgeschlossen, dass es eure Vision einschnürt und keinen Raum mehr lässt für Entwicklung. Man stelle sich Superman vor: voller Kraft, bereit loszufliegen. Und doch gefesselt. Von einer Marke, die ihm nicht mehr gerecht wird. Schwer, eng, und längst überholt.
Es ist entscheidend, Branding nicht als Quick Fix zu begreifen. Sondern als strukturierten Prozess. Die besten Marken entstehen nicht in einem Sprint, sie entstehen in Schichten, die die folgenden Fragen eindeutig und langfristig klären:
Ein Rebranding sollte nie nur dem Anspruch genügen, ›neu‹ zu wirken und kurzfristig Aufmerksamkeit zu erzeugen. Es sollte sichtbar machen, was sich strategisch verändert hat. Wohin ihr wollt und was ihr hinter euch lasst.
Wer wachsen will, muss irgendwann auch markentechnisch nachziehen. Ein dabei oft unterschätzter Aspekt: Markenarbeit schafft nicht nur Wirkung nach außen. Sie sorgt auch für Orientierung im Innen. Sie stärkt die Kultur und schafft Tempo, wo vorher Reibung war. Wenn Vision, Story und Sprache geschärft sind, steigen Buy-in und Entscheidungsqualität. Eine starke Marke wird so zu einem wichtigen Alignment-Tool.
Wir arbeiten mit Teams jeder Größe und Reife: von mittelständischen Unternehmen bis zu Marktführern in der eigenen Nische. In diesem Artikel geht es bewusst um eine besondere Gruppe: Startups und Scale-ups, die bereit sind, ihr Wachstum strategisch abzusichern.
Unternehmen, die schon zu weit sind für ›quick and dirty‹, aber keine Zeit haben für Agentur-Pomp mit 60-seitiger Präsentation. Oft kommen sie mit einem klaren Gefühl: »Wir sind mehr als das, was man von außen sieht.«
Und dabei geht es nicht um Selbstverliebtheit, sondern um den Wunsch nach einer Außenwahrnehmung, die mit dem übereinstimmt, was intern längst spürbar ist.
Manchmal reicht dafür ein neuer Claim. Manchmal braucht es eine neue Markenarchitektur. In den meisten Fällen aber beginnt es mit einem strategischen Sparring: einem Prozess, der Klarheit und Substanz schafft, bevor Design und Sprache ins Spiel kommen.
Das Ergebnis? Eine Marke, die nicht nur mithält, sondern vorausgeht. Die euch antreibt, fokussiert und langfristig trägt.
Wenn ihr merkt, dass die eigene Marke mehr Fragen aufwirft als sie beantwortet und spürt, dass eure Außenwirkung nicht mehr zu eurer Ambition passt: Dann lohnt sich ein Blick in die Tiefe.
Wir haben zehn Fragen aufgeschrieben. Nicht als Checkliste. Sondern als Spiegel.